AMH – Das Antimüllerhormon
Was der Wert wirklich bedeutet
AMH als Marker: Wichtige, aber begrenzte Aussagekraft
Viele Frauen, die sich ein Kind wünschen, begegnen früher oder später dem Begriff Anti-Müller-Hormon (AMH). In der modernen Kinderwunschdiagnostik ist dieser Laborwert einer der zentralen Marker, um die Eizellreserve – also die noch vorhandene Menge an Eizellen – einzuschätzen.
Das AMH wird häufig als wichtiger Fruchtbarkeitsmarker oder Kinderwunschwert bezeichnet und ist fester Bestandteil vieler Untersuchungen im Rahmen von IVF, ICSI oder einer allgemeinen Fruchtbarkeitsanalyse.
Doch der nüchterne Blick aufs Blutbild bei einem niedrigen AMH-Wert kann zu einer emotionalen Belastung werden.
Viele Frauen suchen dann online nach Begriffen wie „AMH zu niedrig – was tun?“ oder „AMH erhöhen“, finden aber widersprüchliche Informationen.
Plötzlich steht die Frage im Raum: „Kann ich überhaupt noch schwanger werden?“ – eine existenzielle Sorge, die Angst, Traurigkeit und das Gefühl auslösen kann, dass die biologische Uhr schneller tickt.
Gerade in dieser Situation ist eine kompetente Kinderwunschberatung wichtig, um den AMH-Wert richtig zu verstehen und individuelle Wege zu finden, die Fruchtbarkeit natürlich zu unterstützen.
Was genau ist das AMH?
Das Anti-Müller-Hormon (AMH) wird in den Granulosazellen der Ovarien gebildet. Es zeigt an, wie viele Follikel gerade vorhanden sind, die potenziell zu reifen Eizellen werden können.
Der sogenannte AMH-Test oder AMH-Bluttest kann zu jedem Zeitpunkt des Zyklus durchgeführt werden und liefert Informationen über die Eizellreserve (auch: „ovarian reserve“).
Besonderheiten des AMH
- Relativ unabhängig vom Zyklus → kann jederzeit gemessen werden
Stabiler Laborwert → gut geeignet zur Einschätzung der Eizellreserve
Wichtiger Marker in der Reproduktionsmedizin → liefert Hinweise zur Stimulationsdosis bei IVF oder ICSI
Interpretation der Werte
Hohe Werte → gute Eizellreserve
Niedrige Werte → abnehmende Reserve
Wichtig: Der AMH-Wert sagt nichts über die Qualität der Eizellen aus, sondern ausschließlich etwas über die Menge.
Wer seinen AMH Wert verstehen möchte, sollte immer auch den FSH-Wert, den Antralen Follikel Count (AFC) und das Alter in die Beurteilung einbeziehen.
AMH, Fruchtbarkeit und Eizellqualität
Die Annahme – „weniger Eizellen = schlechtere Qualität“ – ist weit verbreitet. Fakt ist aber: Ein niedriger AMH-Wert sagt für sich genommen wenig über die individuelle Fruchtbarkeit aus.
Studien zeigen, dass ein niedriger AMH-Wert keine zuverlässige Vorhersage für natürliche Schwangerschaften ist. Auch mit einem AMH unter 1 ng/ml sind spontane Schwangerschaften möglich.
Die Eizellqualität verbessern zu wollen, ist daher oft sinnvoller als den AMH-Wert selbst zu „steigern“. Hier spielen Ernährung, Lebensstil und Mitochondrienunterstützung (z. B. durch Coenzym Q10) eine wichtige Rolle.
AMH und Menopause – ein Trend, keine exakte Vorhersage
Ein niedriger AMH-Wert kann auf ein früheres Eintreten der Wechseljahre hindeuten, ist aber kein exakter Menopause-Indikator.
Frauen, die nach AMH und Menopause suchen, sollten wissen: Der AMH zeigt Trends, aber keine exakten Zeitpunkte. Der individuelle Verlauf hängt stark von genetischen, hormonellen und psychischen Faktoren ab.
Normwerte für AMH bei Frauen (Richtwerte)
Alter | AMH-Wert (ng/ml) – grober Richtwert |
---|---|
< 25 Jahre | 3.0 – 6.8 |
25–30 Jahre | 2.5 – 6.0 |
30–35 Jahre | 1.5 – 2.5 |
35–40 Jahre | 1.0 – 1.5 |
40–45 Jahre | 0.5 – 1.0 |
> 45 Jahre | < 0.5 |
Diese Darstellung entspricht den häufig gesuchten Vergleichsbereichen.
Welche Möglichkeiten gibt es bei einem niedrigen AMH?
- DHEA (Dehydroepiandrosteron) – kann bei manchen Frauen die Eizellzahl nach Stimulation erhöhen.
- Coenzym Q10 – unterstützt die Mitochondrienfunktion und damit die Eizellreifung.
- Myo-Inositol & Vitamin D – hilfreich besonders bei PCOS (Polyzystisches Ovarialsyndrom).
- PRP (Platelet-Rich Plasma) – experimentell, Studienlage uneinheitlich.
- Akupunktur & Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) – können hormonelle Dysbalancen, Stress und Durchblutungsstörungen ausgleichen.
AMH und Möglichkeiten mit der TCM
In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wird ein niedriger AMH-Wert als Zeichen für ein Ungleichgewicht in den Funktionskreisen von Niere, Leber und Blut verstanden. Diese Systeme werden in der TCM eng mit Fruchtbarkeit, Essenz (Jing) und Eizellqualität verbunden.
Typische Ansätze der TCM-Behandlung bei niedrigem AMH:
- Akupunktur zur Harmonisierung der hormonellen Achse (Hypothalamus–Hypophyse–Ovarien)
- Kräuterrezepturen zur Stärkung von Nieren-Yin, Blut und Jing
- Ernährungsberatung nach den fünf Elementen
- Qi Gong, Atemarbeit und Meditation zur Stressreduktion und Förderung der Energieflüsse
Ziel der TCM ist nicht, den AMH-Wert direkt zu erhöhen, sondern die Fruchtbarkeit ganzheitlich zu stärken und die Qualität der Eizellen zu verbessern. Frauen berichten häufig von einem stabileren Zyklus, besserem Schlaf und mehr innerer Ruhe – wichtige Grundlagen für den Kinderwunsch.
Fazit: Was bedeutet ein niedriger AMH-Wert wirklich?
Ein niedriger AMH-Wert ist kein Urteil über Unfruchtbarkeit. Er zeigt nur eine geringere Reserve – nicht die Qualität oder die Chancen auf eine Schwangerschaft.
Gerade mit TCM, Akupunktur und einem gesunden Lebensstil lässt sich die Fruchtbarkeit natürlich unterstützen und die emotionale Belastung verringern.
Für Frauen mit Kinderwunsch gilt: Der AMH-Wert ist ein wichtiger Baustein, aber nie die ganze Geschichte.
Ein ganzheitlicher Blick auf Körper, Geist und Hormonsystem ist entscheidend – und bietet auch bei niedrigem AMH noch viele Möglichkeiten, den Kinderwunsch auf natürliche Weise zu fördern.
Referenzen:
- Nelson, S.M., et al. (2024). Antimüllerian hormone levels are associated with time to natural conception. Fertility and Sterility, 122(2), 318-326. https://doi.org/10.1016/j.fertnstert.2024.06.014 Hier wurde untersucht, ob AMH-Werte voraussagen können, wie lange es dauert, bis eine Frau auf natürlichem Weg schwanger wird. Frauen mit niedr AMH-Werten (< 1 ng/ml) hatten im Schnitt eine etwas längere Wartezeit bis zur Schwangerschaft. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht schwanger werden können – lediglich die Wahrscheinlichkeit pro Zyklus ist etwas geringer. Für Paare mit Kinderwunsch kann das ein nützlicher Hinweis sein, ersetzt aber nicht andere Fruchtbarkeitsfaktoren wie Alter oder Samenqualität. In dieser Studie wurde untersucht, ob die Höhe des Anti-Müller-Hormons (AMH) bei Frauen, die ohne medizinische Hilfe schwanger werden möchten, einen Einfluss auf die Dauer bis zur Empfängnis hat. Die Ergebnisse zeigen: Frauen mit niedrigen AMH-Werten (unter 1 ng/ml) hatten eine moderat, aber statistisch signifikant verringerte Wahrscheinlichkeit, innerhalb kurzer Zeit schwanger zu werden. Warum das wichtig ist: AMH spielt nicht nur bei künstlicher Befruchtung (IVF/ICSI) oder Stimulationszyklen eine Rolle, sondern kann auch im natürlichen Kinderwunsch ein Anhaltspunkt sein. Wichtig ist aber: AMH allein entscheidet nicht darüber, ob eine Schwangerschaft eintritt – es beeinflusst lediglich, wie schnell dies im Durchschnitt geschieht.
- Khodavirdilou, R., et al. (2022). Does Anti-Müllerian hormone vary during a menstrual cycle? A systematic review and meta-analysis. Reproductive Biology and Endocrinology, 20:87. https://doi.org/10.1186/s12958-022-00978-9 Diese Meta-Analyse fasste Daten zusammen, ob AMH-Werte innerhalb eines Zyklus schwanken (Follikelphase, Eisprung, Lutealphase). Ergebnis: Es gibt nur geringe Unterschiede – im Schnitt ca. 10–12 %. In der Follikelphase sind die Werte leicht höher. Das bedeutet: Für die meisten klinischen Anwendungen ist der Messzeitpunkt im Zyklus nicht entscheidend. Will man aber maximale Präzision, sollte man konsequent zur gleichen Zyklusphase messen
- Vale-Fernandes, E., et al. (2023). Elevated Anti-Müllerian Hormone as a Prognostic Factor for Poor Outcomes of In Vitro Fertilization in Women with Polycystic Ovary Syndrome. Biomedicines, 11(12), 3150. https://doi.org/10.3390/biomedicines11123150 Diese Studie untersuchte Frauen mit PCOS, die sich einer IVF unterzogen. Es zeigte sich: Sehr hohe AMH-Werte waren ni mit besseren IVF-Ergebnissen verbunden – im Gegenteil, teilweise traten niedrigere Schwangerschafts- und Lebendgeburtsraten auf. Das weist darauf hin, dass extrem hohe AMH-Werte bei PCOS eher ein Risikofaktor für Probleme (z. B. Überstimulation, unreife Eizellen) sein können und nicht automatisch eine bessere Prognose darstellen.