Fu Ke – Chinesische Frauenheilkunde
Teil 2 Beng Lou 崩漏
Menstruationsregulation ist eines der wesentlichsten Therapiekonzepte, die in der Frauenheilkunde von entscheidender Bedeutung sind. Nicht nur als ein Grundkonzept bei der Behandlung von Unfruchtbarkeit, sondern auch, um die Beziehung von Qi und Blut bei einer Frau zu harmonisieren und um bei Zyklusstőrungen helfend einzugreifen, kommt diese Therapie zur Anwendung. Bei der Behandlung von Metrorhagien – unrhythmisch auftretenden Blutungen – kommen alle Behandlungsstrategien zum Tragen, die zu einer erfolgreichen Zyklusregulation vonnőten sind. Zu starke oder ungeregelte Blutungen versetzen betroffene Frauen nicht selten in Panik und fűhren notwendigerweise bei Nichterfolg einer Abrasio zu einer Hysterektomie. Umso wichtiger ist in der Praxis eine klare Diagnostik und ein versierter Umgang mit den entsprechenden Behandlungsstrategien.
Aus chinesischer Perspektive gehören der Uterus, die außerordentlichen Meridiane, die Beziehung von Qi und Blut, die Zang Fu und das Zyklusgeschehen dazu. Bei jeder Anamnese sind Zeichen bei der Menstruation wichtige diagnostische Merkmale, die die Beziehung von Qi und Blut bei der Frau erkennen lassen.
Die Befragung einer Patientin zu ihrem monatlichen Zyklus ist eine wesentliche Voraussetzung, um zu einer korrekten Diagnose und entsprechenden Therapie zu kommen. Ein gesunder Zyklus findet alle 28-30 Tage statt und ist circa 5 Tage lang. Die Blutung sollte ohne Schmerzen und ohne Tröpfelblutungen zu Beginn oder am Schluss ausgeschieden werden. Das dabei ausgeschiedene Blut kann von 4-5 Binden/Tampons am Tag aufgenommen werden. Das Blut selbst sollte weder zu flüssig noch zu klebrig sein, ohne Ansammlungen von Klumpen oder Schleim. Die Farbe einer normalen Blutung ist tiefrot, fast so, als hätte man sich geschnitten.
Alle Abweichungen von dem soeben beschriebenen Menstruationsbild lassen Schlüsse auf die Pathologie der Frau zu und werden im Einzelnen bei den jeweiligen Blutungsstörungen besprochen. Treten verspätete Zyklen seit Beginn der Menarche auf, kann dies durchaus der individuelle Zyklus einer Frau sein, der dann als normal zu beurteilen ist. Allgemein gilt: Der Zyklus der Menstruation und das Volumen der Blutung geben einen Hinweis auf Kälte und Hitze, die Farbe und Konsistenz des menstruellen Blutes zeigen Fülle oder Leere. So sind zu früh und zu stark auftretende Blutungen ein Hinweis auf Hitze, verspätet und in geringer Blutungsmenge auftretende Menstruationen können ein Hinweis auf Kälte sein. Unregelmäßig auftretende Blutungen deuten auf eine Qi-Stagnation hin. Bräunliche und dünnflüssige Blutungen zeigen einen Leerezustand, leuchtend rote und dickflüssige Blutungen zeigen eine Fülle an. Die Schwierigkeit in der Praxis besteht oft darin, die verschiedenen, gleichzeitig auftretenden Zeichen in eine Diagnose zusammenzufassen.
Blutungen außerhalb des Zyklus (Beng Lou 崩漏)
Blutungen, die außerhalb der Periodenblutung in einem circa 2-tägigen Abstand, also abgesetzt, vor oder nach der Periodenblutung auftreten und länger als 7 Tage andauern, werden schulmedizinisch als Metrorhagien bezeichnet. Es gibt aber auch Mischformen, in denen zum Beispiel eine reguläre Blutung vielleicht durch eine Schmierblutung mit einer neuerlichen Blutung verbunden ist, die als Menometrorhagie bezeichnet wird und damit eine Mischform darstellt. Oft tritt also beides – Menorhagie und Metrorhagie – zusammen auf und vermischt sich, wobei Metrorrhagien besonders dadurch gekennzeichnet sind, dass kein rhythmischer Verlauf erkennbar ist. Die Ursachen für diese ungeregelten Blutungen sind entweder als hormonelle Dysregulation zu verstehen oder die Blutungen begründen sich in Endometritis, Myomen, Polypen, Malignome oder anderen Krankheiten.
Die Chinesen nennen diese Blutungen Beng Lou. Beng heißt „Überfluten“, also plötzlich eine starke Blutung, Luo bedeutet „Durchsickern“, was auf lange anhaltende Sickerblutungen hinweist. Auch wenn es sich bei Beng um einen akuten Zustand handelt und bei Lou um einen chronischen, ist die Ursache die gleiche. Dieses beiden Zustände können auch ineinander übergehen. So kann sich Beng nach starkem Verlust von Qi und Blut in einen Lou-Zustand oder umgekehrt, ein unbehandelter Lou-Zustand kann sich nach Erschöpfung des Qi oder durch die Entstehung einer Blutstase in einen Beng-Zustand verwandeln. Grundsätzlich wird für das Auftreten von Beng Lou Bluthitze aufgrund von Fülle oder Leere- Hitze, Milz-Leere, Nieren-Leere und Blutstase verantwortlich gemacht. Die Anwesenheit von Hitze und eine ausgeprägte Schwäche des Qi der Mitte werden als die wichtigsten Krankheitsauslöser betrachtet. Die Störungen für Metrorrhagien sind komplex und ihre Behandlung dementsprechend schwierig. Ye Tian –shi und viele andere alte Ärzte entwickelten regelrechte Strategien, um Beng Lou erfolgreich zu behandeln. In der Regel verfolgten sie drei Ziele:
a) Sai Liu: die Flut eindämmen, mit anderen Worten ausgedrückt die Blutung zum Stillstand zu bringen.
b) Cheng Yuan: den Grund der Überschwemmung suchen, also die Wurzel der Erkrankung behandeln.
c) Fu Jiu: den alten Zustand wiederherstellen oder auch: die Wurzel zu kräftigen und den Körper zu konsolidieren. Diese drei Phasen gehen letztendlich ineinander über und lassen sich nicht eindeutig voneinander abgrenzen. Die korrekte Diagnose führt zur Anwendung der richtigen Behandlungsstrategie. In der Praxis kommen meist mehrere der nachfolgenden Strategien zum Tragen, oft sogar nebeneinander.
Entsprechende Drogen sind beispielhaft hinzu gefügt:
Das Blut kühlen: Radix Rehmannia Viride (sheng di), Cortex Moutan (mu dan pi), Radix sanguisorbae (di yu), Radix Scutellariae (huang qin)
Die Kanäle wärmen: Herba Artemisiae (ai ye), Rhizoma Zingiberis praep. (pao jiang) Das Blut nähren: Gelantinum Corii Asini (e jiao), Radix Paeonia Lactiflorae (chao bai shao)
Das Qi stärken: Radix Ginseng (ren shen), Radix Astragali (huang qi) Blut heben: Rhizoma Cimicifugae (sheng ma), Radix Bupleuri (chai hu), Herba Schizonepetae (jing jie sui)
Die Blutstase beseitigen:Radix Notoginseng (san qi), Herba Leonuri (yi mu cao), Radix Rubiae (qian cao gen), Pollen Typhae (pu huang) Das Blut adstringieren: Halloysitum Rubrae (chi shi zhi), Os Draconis (long gu), Concha Ostrae (mu li), Os Sepiae (hai piao xiao), Herba Agrimonae Pilosae (xian he cao) Akutbehandlung: Die erste Strategie, Beng Lou zu behandlen, besteht darin, die Blutungen zu stoppen.
Je nach Ursache kommen dafür verschiedene Strategien und entsprechend unterschiedliche Drogen in Betracht. (siehe oben). Ein starker Blutverlust kann einen Kollaps zur Folge haben. Dabei geht es primär um das Qi in der Mitte. Akutbehandlungen sehen daher große Mengen von Radix Ginseng (ren shen) aus Korea vor, im Hinblick auf das Yuan-Qi und um eine Kontrolle über das Blut zu gewinnen.
a) Rp. Du Sheng Tang – Reines Radix Ginseng Dekokt Besteht nur aus rotem Radix Ginseng (hong shen) 15-30 oder b) Rp. Sheng Mai San – Pulver, das den Puls erzeugt. Konstitutionelle Behandlung: Um ein weiteres Auftreten ungeregelter Blutungen zu verhindern, muss im Anschluss an die obige Therapie die Wurzel behandelt werden. Es ist wichtig, daran zu denken, dass bei Beng Lou meistens mehrere Muster ineinandergreifen.
1. Hitze im Blut (Xue Re 血热)
1.1 Fülle Hitze (Shi Re 实热) Diese Art von Beng Lou ist durch ihr plötzliches Auftreten charakterisiert, meistens vor der regulären Blutung. Symptome: Das Blut ist dickfließend, leuchtend rot und von großer Menge.Oft kommen aufsteigende Hitzegefühle, Durst, Verstopfung, Nervösität und Insomnia hinzu. Die Zunge ist rot mit gelben Belag, der Puls ist schnell(shuo) und drahtig(xian) oder schlüpfrig(hua).
Behandlungstrategie: Rp. Qing Re Gu Jing Tang – Hitze klärendes und Menstruation stabilisierendes Dekokt:
Os Draconis Praep. (duan long gu) Radix Rehmanniae Glutinosae (sheng di) Radix Praep. Paeoniae Lactiflorae (chao bai shao) Plastrum Testudinis (gui ban) Concha Calc. Ostrae (duan mu li) Fructus Gardeniae (shan zhi zi) Radix Carb. Scutellariae Baicalensis (huang qin) Gelantinum Praep. Corii Asini (e jiao) Petriolus Trachycarpi (zong lü tan) Radix Carb. Sanguisorbis (di yu) Crinis Carbinsatus (xue yu tan) Radix Panacis Qinquefolii (xi yang shen)
Dieses Rezept arbeitet auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig: es kühlt das Blut, leitet Hitze und Feuchtigkeit aus, stoppt Blutungen, tonisiert Blut und Yin und stabiliert das Qi. Bitte beachten Sie auch, dass die meisten Drogen präpariert sind, um ihre blutstillende Wirkung zu verstärken.
Modifikationen : Cortex Lycii (di gu pi) könnte man hier gut ergänzen. Vorsicht mit Cortex Moutan (mu dan pi) in diesem Fall, weil es bewegt. Manche Autoren verwenden einfach Radix Glycyrrhizae (gan cao) zum Qi tonisieren anstelle von Radix Panacis Qinquefolii (xi yang shen). Zum Blut stoppen kommen natürlich noch mehr Drogen in Frage wie: Cacumen Biotae orientalis (ce bai ye), bei sehr starken Blutungen Rhizoma Nelumbinis (ou jie) und Herba Agrimonae Pilosae (xian he cao), dass nicht stoppende Blutungen versiegelt und überall Blutungen stoppen kann, unabhängig von Hitze oder Kälte, Leere oder Fülle.
Leere Hitze aufgrund einer Yin-Leere (Yin Xu Re 阴虚热) Diese Blutungen treten tendentiell eher nach der Menstruation auf und tröpfeln lange nach. Symptome: Schwindel, Unruhe, Hitzegefühle gegen Abend, heiße Handteller und Fußsohlen, eine rote, trocken belaglsoe Zunge mit einem fadenförmigen(xi) und schnellen(shuo) Puls.
Bei Ben Lou-Blutungen würde ich dazu tendieren, anstelle von Liang Di Tang (ein Rezept, das häufig bei leerer Hitze zur Anwendung kommt und oft mit Er Zhi Wan + Plastrum Testudinis (gui ban) modifiziert wird) eher das Rezept Bao Yin Jian für Leere Hitze zu nehmen.
Rp. Bao Yin Jian – Das Yin schützende Getränk: Radix Rehmanniae Praeparatae (shu di huang) 9g Radix Rehmannia Glutinosae (sheng di huang) 9g Radix Scutellaria (huang qin) 9g Cortex Phellodendri (huang bai) 9g Radix Paeonia Lactiflorae (bai shao yao) 9g Radix Dioscorea Oppositae (shan yao) 9g Radix Dipsaci (xu duan) 9g Radix Glycyrrhizea (gan cao) 6g
Modifikationen: Plastrum Testudinis (gui ban) ist eine wichtige Droge hier, da sie stark das Yin nährt, Blut kühlt und stoppt und gleichzeitig auf den Ren und Chong Mai einwirkt. Bei starken Blutungen eignet sich zum Blut stoppen: Herba Agrimonae Pilosae (xian he cao), Rhizoma Nelumbinis (ou jie), Os sepiae (hai piao xiao) und andere. Tröpfelblutungen kann man mit Radix Notoginseng (san qi) beeinflussen und wenn man Pollen Typhae (pu huang) röstet.
Milz- Qi-Leere (Pi Qi Xu 脾气虚) Milz-Qi-Schwäche kann zu sehr starken Blutungen führen. Die Milz kann die Gefäße nicht mehr abdichten und der Chong Mai verliert seinen Halt und muß wieder stabilisiert werden.
Symptome: Das Blut ist dünnflüssig und hellrot, ungeformte lose Stühle, Müdigkeit, Blässe und eine Tendenz zu blauen Flecken.
Das nachfolgende Rezept stärkt das Blut und stoppt Blutungen. Rp. Gu Ben Zhi Beng Tang – Das die Wurzel konsolodierende und Blutungen stoppende Dekokt: Radix Astragalus Seu Hedysari (huang qi) Radix Rehmanniae Glutinosae (shu di) Rhizoma Atractylodis Macrocephalae (bai zhu) Rhizome Zingiberis praep. (pao jiang) Radix Codonopsis Pilosulae (dang shen) Radix Angelicae Sinensis (dang gui)
Modifikationen : Wichtig: Radix Angelicae Sinensis (dang gui) wird bei Beng Lou-Problemen aus der Rezeptur herausgenommen, weil es zu bewegend ist. Stattdessen wird es mit Gelantinum Corii Asini (e jiao) oder Radix Polgoni multiflori (he shou wu) ersetzt. Zum Blutstillen von starken Blutungen setzt man beispielsweise Herba Agrimonae (xian he cao) und Os sepiae (hai piao xiao) zusätzlich ein, es eignet sich auch verkohltes Herba Artemisiae (ai ye tan), wärmend und gleichzeitig Blutungen stoppend. Bei Tröpfelblutungen kann man Herba Schizonepetae verkohlt (Jing jie sui tan) und Herba Leonuri (yi mu cao) dazugeben. Zum Anheben kann man Rhizoma Cimicifugae (sheng ma), Radix Bupleuri (chai hu) hinzugeben und Radix Astragalus (huang qi) höher dosieren.
Nieren-Leere (Shen Xu 肾虚)
Die nachfolgende Formel ist eine mit Zuo Gui Wan verwandte Rezeptur, die die Niere tonisiert, das Qi auffüllt, den Chong Mai konsolidiert und die Menstruation reguliert. Rp. Gu Yin Jian –Das Yin konsolidierende Dekokt: Semen Cuscutae (tu si zi) Radix rehmanniae Praeparatae (shu di) Fructus Corni (shan zhu yu) Radix Panacis Ginseng (ren shen) Radix Dioscoreae Oppositae (shan yao) Radix Gycyrrhizae Praeparatae (zhi gan cao) Fructus Schizandrae (wu wei zi) Radix Polygalae (yuan zhi) Fructus Rubi (fu pen zi) Colla Corni cervis (lu jiao jiao)
In diesem Rezept werden mit gezielten Drogen der Ren, Chong, Du und Dai Mai adressiert: Fructus Rubi (fu pen zi) tonisiert den Ren Mai, Radix Dioscoreae Oppositae (shan yao) stabilisiert den Chong Mai, Colla Corni cervis (lu jiao jiao) den Du Mai und Fructus Schizandrae (wu wei zi) den Dai Mai.
Modifikation: Wenn man das Yang mehr betonen will, kann man Radix Dipsaci (xu duan) und Cortex Eucommiae (du zhong) hinzufügen. Colla Corni Cervis (lu jiao jiao) kann mit Colla Corni Degelatinatum (lu jiao shuan) ersetzt werden.
Blutstagnation (Xue Yu 血瘀)
Symptome: Ein typisches Zeichen für Blutstase neben den bereits erwähnten Koageln und Schmerzen sind die aussetzenden Blutungen. Die Blutung stoppt für ein oder zwei Tage und setzt dann wieder ein. Die Zunge ist dunkel und der Puls ist rau(se) oder drahtig(xian). Hier kann die Rezeptur Shi Xiao San wird zusammen mit Si Wu Tang eingesetzt werden. Rp. Shi xiao san (geröstet) – Plötzlich Lächeln Pulver Pollen Typhae (pu huang) Faeces Trogopterori (wu ling zhi)
Modifikationen: Herba Leonuri (yi mu cao), Radix Notoginseng (san qi) und Radix Rubiae (qian cao gen) sind bewährte Drogen, die neben ihren kühlendem und bewegenden Einfluss zusätzlich die blutstillende Wirkung der oben genannten Rezepturen unterstützen. Kommt es zur Blutstase durch Kälte, ist verkohltes Herba Artemisiae (ai ye tan) die entsprechende Droge. Bei Hitze kann man an Radix sanguisorbis (di yu) denken. Bei sehr starken Blutungen ist wie immer an Herba Agrimonae (xian he cao) zu denken. Ich persönlich gebe den Patientinnen gerne Yunnan Baiyao mit nach Hause, damit sie das Gefühl haben, selbst noch etwas zusätzlich einnehmen zu können, was ihre Blutung kontrolliert. Das funktioniert dann gut, wenn sie wirklich Blutstase haben.
Der Artikel ist ein Auszug aus einem Beitrag von Andrea Kaffka aus dem kürzlich erschienenem Buch „Chinesische Medizin bei Fertilitätsstörungen“, der Zyklusstőrungen beschreibt.